Jugend braucht Vertrauen

Ich sehe sie. Und ich sage es bewusst ganz deutlich: Jugendliche sind nicht das Problem. Das Problem ist, dass wir ihnen immer wieder Maß nehmen, bevor wir sie fragen. Dass wir ihnen Regeln geben, bevor wir ihnen zuhören. Dass wir sie kontrollieren, weil wir ihnen nicht zutrauen, Verantwortung zu übernehmen. Weil wir sie nicht wirklich kennen. Wir haben uns daran gewöhnt, Jugend zu dulden, statt sie einzuladen. Aber wer so handelt, darf sich nicht wundern, wenn das Vertrauen ausbleibt. Jugend ist nicht nur unsere Zukunft, sie ist auch unsere Gegenwart. „Die Jugend“ wird oft romantisiert als das Morgen, aber das verkennt, dass junge Menschen längst das Heute mitgestalten. Sie leben nicht im Konjunktiv, sie sind „da“. Und sie haben das gleiche Recht auf Teilhabe wie alle anderen Gruppen unserer Stadtgesellschaft.

Gerade deshalb ist es höchste Zeit, ihre Perspektive nicht nur mitzudenken, sondern endlich auch ernst zu nehmen. Denn Hand aufs Herz: Die Interessen junger Menschen finden in politischen Entscheidungsprozessen viel zu selten Gehör. Sie haben keine Lobby, keine einflussreichen Netzwerke, keinen Verband im Rücken. Umso mehr ist es Aufgabe der Stadtpolitik, sie aktiv einzubeziehen. Und das nicht aus Nettigkeit, oder weil es sich so schön verkaufen lässt, sondern weil es unsere verdammte Pflicht ist. Denn wenn wir als Gesellschaft nicht einmal für diejenigen Verantwortung übernehmen, die noch keine eigene Machtbasis haben, für wen denn dann überhaupt?

Junge Menschen brauchen Räume, nicht nur im physischen Sinne, sondern auch im gesellschaftlichen. Räume, in denen sie sich aufhalten können, ohne etwas konsumieren zu müssen. Orte, an denen sie einfach sein dürfen, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Und Rückzugsorte, die nicht durch permanente Kontrolle oder „erwachsene“ Erwartungen dominiert werden. Genau deshalb setze ich mich für selbstverwaltete Jugendräume ein, dezentral, offen, erreichbar. Räume, die nicht bespielt, sondern von den Jugendlichen selbst gestaltet werden. Vertrauen ist dabei der Schlüssel. Ja, nicht alle Jugendlichen verhalten sich vorbildlich, aber ganz ehrlich: Welche Altersgruppe tut das schon? Der überwiegende Teil junger Menschen ist reflektiert, verantwortungsbewusst und weit besser darin, mit komplexen Herausforderungen umzugehen, als wir ihnen oft zutrauen. Was sie brauchen, ist kein permanentes pädagogisches Begleitprogramm, sondern ein ganz deutliches Signal: Ihr seid Teil dieser Stadt. Ihr seid Teil von uns. Ihr gehört dazu.

Dass es an dieser Haltung leider noch mangelt, zeigte sich auch in der Podiumsdiskussion von Szene 93 (1). Dort sprach die Amtsinhaberin im Zusammenhang mit möglichen Rückzugsorten für Jugendliche von ihrer Sorge vor „Schmuddelecken“ und davon, dass man verhindern müsse, dass „Zigaretten im Sandkasten“ landen. Natürlich muss Rücksichtnahme Teil des Miteinanders sein, das steht außer Frage. Aber solche Formulierungen verraten mehr über das politische Menschenbild als über die tatsächliche Situation. Wer Jugendliche primär als Risiko betrachtet, wird keine Orte schaffen, in denen sie sich entfalten können. Wer immer zuerst den potenziellen Schaden sieht, verhindert das Vertrauen, das junge Menschen brauchen, um Verantwortung zu übernehmen. Ich bin überzeugt: Wer Jugendlichen echte Verantwortung zutraut, bekommt sie auch zurück. Vielleicht ist es genau das, was mich zu diesem Thema antreibt: Ich will, dass kein Jugendlicher mehr das Gefühl haben muss, nur zu stören.

Dazu gehört übrigens auch Mobilität. Es kann nicht sein, dass Jugendliche in Erftstadt von Angeboten abgeschnitten sind, weil Busverbindungen fehlen oder Fahrradrouten unsicher sind. Wir brauchen eine Mobilitätsstrategie, die Jugendliche mitdenkt: mit sicheren Wegen, besserer Taktung, einem funktionierenden On-Demand-Angebot und einer klaren Perspektive auf Mobilität, die unabhängig macht. Der Mobie kann dabei ein wichtiger Baustein sein, aber er darf nicht als Feigenblatt dienen, sondern muss konsequent weiterentwickelt werden.

In meinem Wahlprogramm spreche ich deshalb nicht von „Maßnahmen für die Jugend“, sondern von Beteiligung auf Augenhöhe. Ich will offene Jugendforen, verbindliche Beteiligungsformate, aber auch niedrigschwellige Wege, wie junge Menschen ihre Anliegen direkt einbringen können. Explizit als festen Bestandteil städtischer Entscheidungsprozesse. Wer mitreden soll, muss mitentscheiden dürfen.

Jugend ist kein Störfaktor, sondern ein gesellschaftlicher Motor. Wer sie ausbremst, verliert nicht nur Vertrauen, er verspielt Zukunft. Und wer sie ernst nimmt, der muss bereit sein, loszulassen: Kontrolle, Misstrauen, Vorurteile.

Wer nur misstraut, wird nie verstehen, was alles möglich wäre. Ich will genau das möglich machen.

(1) https://www.youtube.com/watch?v=ektvPmgp4Fo

Thommy Mewes
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