Zwischen Brandmauer und Kanzleramt: Was die AfD plant

Am kommenden Mittwoch laden die Jusos Erftstadt zu einer öffentlichen Diskussion über ein mögliches AfD-Verbotsverfahren ein (1). Ich wünsche mir, dass möglichst viele Erftstädterinnen und Erftstädter teilnehmen und bin gespannt auf die dort stattfindende Auseinandersetzung. Denn die Frage, wie unsere Demokratie mit einer Partei umgehen sollte, die längst als gesichert rechtsextrem eingestuft ist, berührt unmittelbar, wie wir unsere politische Kultur schützen und weiterentwickeln wollen.

Zur Vorbereitung auf eine solche Debatte gehört auch, die Ziele und Strategien der AfD selbst in den Blick zu nehmen. Dass Politico Anfang Juli eine interne Präsentation aus der Fraktionsklausur der Partei veröffentlicht hat (2), ist deshalb von besonderer Bedeutung. Dieses Dokument macht sichtbar, mit welcher Klarheit und Konsequenz die AfD ihren Machtanspruch formuliert. Nicht mehr die Rolle als Protestpartei steht im Vordergrund, sondern die gezielte Vorbereitung auf Regierungsverantwortung. Die letzte Folie fasst das Ziel in einer einzigen Formel zusammen: „Alice ins Kanzleramt“. Ein Schwenk in der Strategie der letzten Jahre.

Die AfD arbeitet auf zwei Ebenen. Zum einen will sie ihre Kernwählerschaft stabilisieren: Arbeiter, Menschen im ländlichen Raum, ostdeutsche Bundesländer, Russlanddeutsche und junge Männer. Zum anderen versucht sie, in Milieus vorzudringen, die bislang wenig mit ihr anfangen konnten: Frauen, über 60-Jährige, Akademikerinnen und Akademiker, Menschen in Großstädten sowie konfessionell gebundene Christinnen und Christen. Diese Schwächen offen anzusprechen zeigt, dass die AfD ihre eigenen Defizite sehr genau kennt. Wahrscheinlich sogar besser, als so manch andere Partei. Für die Demokratie ist das eine Herausforderung, zeihgt aber auch die naheliegenden Handlungsfelder. Wo die AfD keinen Resonanzboden hat, können Politik und Gesellschaft gezielt Alternativen anbieten, die Vertrauen aufbauen und Bindungen schaffen, bevor populistische Parolen verfangen.

Noch deutlicher wird die Gefährlichkeit der AfD in ihrem Umgang mit gesellschaftlicher Polarisierung. Die Präsentation macht keinen Hehl daraus: Polarisierung ist ein bewusst eingesetztes Werkzeug. Je stärker die Gesellschaft gespalten wird, desto eher kann die AfD sich als einzige Brücke inszenieren. Besonders die sogenannte Brandmauer, also die Abgrenzung der demokratischen Parteien gegenüber der AfD, soll sowohl „von oben“ als auch „von unten“ eingerissen werden. Von oben, indem sie die Union unter Druck setzt, Widersprüche verschärft und Koalitionsoptionen plausibel macht. Von unten, indem sie durch ständige Wiederholung und Normalisierung versucht, gesellschaftliche Akzeptanz zu erzwingen. Ablehnung soll extrem wirken, Zustimmung selbstverständlich.

Wir sollten diese Strategie ernst nehmen.

Gleichzeitig gibt es Stellschrauben, an denen Politik und Gesellschaft ansetzen können. Erstens ist es entscheidend, dass die Abgrenzung konsequent bleibt. Jede Kooperationsbereitschaft, sei es in Erftstadt, im Kreis oder im Land, schwächt das Signal der Brandmauer. Zweitens braucht es konkrete Gegenangebote für jene Gruppen, die die AfD ins Visier nimmt: eine aktive Frauenpolitik, die Sicherheit und Teilhabe schafft; eine Bildungspolitik, die Chancen unabhängig von Herkunft sichert; soziale Antworten auf die Sorgen älterer Menschen; eine nachhaltige Stadtentwicklung; einen Dialog mit Kirchen, der Orientierung gibt, statt sie Populisten zu überlassen. Drittens muss unsere Gesellschaft widerstandsfähiger gegen Polarisierung werden. Das erfordert Medien, die nicht nur Schlagzeilen bedienen, sondern Hintergründe erklären. Es erfordert Schulen und Bildungseinrichtungen, die Komplexität vermitteln und Demokratieerfahrung ermöglichen. Und es erfordert zivilgesellschaftliche Organisationen, die Räume für Begegnung schaffen, damit Feindbilder an der Realität zerbrechen. Darüber hinaus gehört dazu, demokratische Beteiligungsformate auszubauen, politische Prozesse transparenter zu gestalten und Bürgerinnen und Bürger stärker einzubeziehen. Denn je mehr Menschen das Gefühl haben, gehört zu werden, desto weniger verfängt das Narrativ einer „abgehobenen Elite“.

In diesem Licht erscheint mir ein Parteiverbot nicht als Schwäche, sondern als ein legitimes Mittel zum Schutz unserer Demokratie. Die rechtlichen Hürden sind hoch, die Gefahr einer politischen Gegenreaktion ist nicht zu unterschätzen. Doch die Schwelle für ein Verbot ist bewusst hoch, weil es nur in besonderen Fällen zum Einsatz kommen soll. Angesichts der klaren Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem und angesichts der nun offengelegten Strategien, die auf eine systematische Aushöhlung unserer demokratischen Ordnung zielen, halte ich ein Verbotsverfahren für notwendig und gerechtfertigt. Es ist nicht das einzige Instrument, aber es ist ein wichtiges Signal: Unsere Demokratie darf sich nicht von innen heraus untergraben lassen.

Genau darüber können wir am Mittwoch, den 03.09.2025 ab 18:30 Uhr im Stadtgarten Liblar diskutieren. Unter dem Titel „Brauchen wir ein AfD-Verbotsverfahren?“ spricht Thomas Kutschaty, SPD, ehemaliger Justizminister von NRW, mit allen Interessierten über die Chancen, Risiken und Konsequenzen.

Ich werde dort sein.

(1) https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=pfbid02vuSBQvyrz9ZdNn1JANMhyiXnh3MRnkpScudok6WQFwRCFxLDE3q5Ebs1W635E4pKl&id=61579870380390

(2) https://www.politico.eu/wp-content/uploads/2025/07/06/BvS-FraKlausur-0407-Freitag.pdf

Thommy Mewes
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