Tacheles von Thommy #07 – Wahlkampftakt statt Taktgefühl?

Seit dem 21. Mai ist öffentlich bekannt, dass die Klaus Geske Musik- und Kulturstiftung die städtische Musikschule samt Gebäude übernehmen will. Ein Schritt, der bei vielen zunächst Erleichterung auslöste und den die Bürgermeisterin in der zugehörigen Mitteilung auf der städtischen Homepage (1) bereits öffentlich als „Win-Win-Situation“ feiert. Und dementsprechend sich gleich mit.

Aber ganz ehrlich: So weit sind wir noch lange nicht.

Was bislang vorliegt, ist überschaubar. Ein zweiseitiges Schreiben vom 6. Mai (2), eine Pressemitteilung vom 21. Mai (3) inkl. einer Präsentation mit durchaus ambitionierten Plänen. Das Angebot an die Stadt existiert damit seit über drei Wochen, bekannt wurde es allerdings erst, als die Politik in der Fraktionsvorsitzendenkonferenz am 21. Mai in ersten Zügen darüber informiert wurde – und die Presse tagesgleich (4) am Abend darüber berichtete. Da war das Schreiben schon zwei Wochen in der Verwaltung, ohne dass Fraktionen, Rat oder Öffentlichkeit einbezogen worden wären. Das wirft Fragen auf, sowohl inhaltliche als auch demokratietheoretischer Natur: Wer wusste wann was – und warum wurde diese Information der (politischen) Öffentlichkeit so lange vorenthalten? Andere Medien haben das Thema dann später aufgegriffen (5).

Inzwischen ist klar: Bereits am 3. Juni soll eine Sondersitzung des Ausschusses für Kultur und Partnerschaften stattfinden, um über die „künftige Ausrichtung der Musikschule“ zu beraten. Das ist weniger als zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntgabe. Und es soll offenbar nicht bei einer ersten Diskussion bleiben. Vielmehr ist jetzt schon festgeschrieben (6), dass dieser Ausschuss der Auftakt für eine politische Absegnung wird, die dann in der letzten Ratssitzung vor der Kommunalwahl am 8. Juli ihren Abschluss finden soll. Anders wäre es auch kaum möglich, dass „eine mögliche Übergabe bereits zum 1. Januar 2026 erfolgen“ könnte.

Dabei fällt die erste der beschlossenen kw-Stellen überhaupt erst Ende dieses Jahres weg. Ein Detail, das deutlich macht: Die behauptete Dringlichkeit ist hausgemacht. Es gibt keinen akuten Handlungsdruck, der diesen Zeitplan rechtfertigt, außer, man möchte ihn politisch nutzen. Wer in der Vergangenheit bei der Verwaltungsmodernisierung auf der Bremse stand, entdeckt jetzt plötzlich die Beschleunigung, wenn es der eigenen Inszenierung dient.

Worum geht’s konkret? Die Musikschule verursacht derzeit rund 850.000 Euro an städtischem Zuschuss pro Jahr. Laut Stiftung könnten künftig rund 50.000 Euro jährlich durch den Wegfall der bisherigen Miete und einen symbolischen Erbbauzins eingespart werden. Warum nur 50.000 Euro? Weil in der zugehörigen Präsentation von einem „Zuschuss an die gGmbH“ die Rede ist. Wie hoch und wie lange? Schwer zu sagen, in der gezeigten Grafik fehlen leider die Beschriftungen, aber mit ein wenig Phantasie könnte man 800.000 Euro jährlich über mindestens sechs Jahre herauslesen. Macht also über die nächsten Jahre mindestens 4,8 Millionen. Was das konkret für den städtischen Haushalt bedeutet, bleibt unklar, denn ohne präzise Zahlen ist jeder behauptete Haushaltsvorteil reine Spekulation.

Im Gegenzug übernimmt die Stiftung das Gebäude und will den Betrieb in freier Trägerschaft fortführen. Klingt auf den ersten Blick gut. Aber:

Wo ist das vollständige Konzept? Wer garantiert, dass die Musikschule auch in zehn Jahren noch öffentlich zugänglich und tariflich gesichert bleibt? In der Präsentation ist die Rede davon, dass die Musikschule nach dem Leitbild des VdM weitergeführt werden soll. Finde ich prima, ist aber rechtlich nicht bindend. Ein formales Bekenntnis zu einer „öffentlichen Musikschule“ ersetzt keine vertragliche Verpflichtung.

Und was gilt für das Personal? Die Stiftung kündigt an, die Mitarbeitenden „zu den bisherigen Konditionen“ übernehmen zu wollen. Das klingt erst einmal beruhigend, doch ohne detaillierte Zusagen zu Tarifbindung, Vertragslaufzeiten, Altersvorsorge und Mitbestimmungsrechten bleibt auch das ein Versprechen ohne Substanz. Wer künftig die Musikschule verantwortet, übernimmt auch soziale Verantwortung. Die muss vertraglich abgesichert sein und nicht nur kommunikativ.

Welche Mitsprache hat der Rat, wenn künftig eine gemeinnützige GmbH (gGmbH) über Angebot, Preise, Personalentscheidungen und Immobiliennutzung entscheidet? Laut Stiftung sollen je ein Mitglied jeder Ratsfraktion sowie die Bürgermeisterin in der Gesellschafterversammlung der gGmbH sitzen. Klingt nach Beteiligung. Ist es aber auch Mitsprache mit Substanz? Bildet das die Ratsmehrheiten ab?

Und was passiert eigentlich, wenn der Stiftung irgendwann das Geld ausgeht oder sich Interessen verschieben? Gibt es Rückfallregelungen? Verbindliche Standards? Oder wird hier nur der kulturelle Auftrag hübsch verpackt privatisiert? Apropos Privatisierung, das klingt für mich alles wie eine Konzessionsvergabe.

Es gibt so viele offene Fragen.

Noch eine Randnotiz: Die Stiftung lässt sich von der renommierten AHW-Gruppe beraten, Profis im Bereich von Stiftungsmodellen. Die Stadt Erftstadt hingegen? Nun, die Vergangenheit zeigt nicht gerade Verhandlungsgeschick, wenn es um komplexe vertragliche Regelungen geht. Dass die Bürgermeisterin jetzt federführend eine millionenschwere Strukturentscheidung vorantreibt, stimmt zumindest nachdenklich: Wirtschaftliche Kompetenz zeigt sich nicht in Pressemitteilungen, sondern in der Substanz von Prozessen.

Um es glasklar zu sagen: Ich bin nicht gegen eine Übernahme. Im Gegenteil. Wenn alles passt, kann ein freier Träger genau das richtige Modell sein. Aber dafür braucht es einen seriösen Prozess, keinen Schnellschuss. Gründlichkeit vor Geschwindigkeit. Und vor allem: vollständige Information für Rat und Öffentlichkeit, bevor Entscheidungen fallen.

Ich appelliere an alle, das Thema aufmerksam zu verfolgen. Es geht um einen verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Geldern, öffentlichem Eigentum und öffentlicher Kultur.

Bleiben wir wachsam. Gerade vor einer Wahl.

(1) https://www.erftstadt.de/aktuelles/news/angebot-zur-uebernahme-der-staedtischen-musikschule.php

(2) https://ratsinfo.erftstadt.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZfbkCcLsNKC7qyYUUhCs80QFfc3OavAVIPuKUzuLBaqx/Schreiben_der_Klaus_Geske_Stiftungen_vom_06.05.2025.pdf

(3) https://ratsinfo.erftstadt.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZcj3Mwm_xsjDs6dJVPNLN2rAjzstVg3Tlj3ehVzLxmXu/Pressemitteilung_der_Klaus_Geske_Stiftungen_vom_21.05.2025.pdf

(4) https://www.ksta.de/region/rhein-erft/erftstadt/erftstadt-stiftung-will-musikschule-uebernehmen-1028546

(5) https://www.rheinische-anzeigenblaetter.de/erftstadt/c-nachrichten/idee-fuer-musikschule_a344757

(6) https://ratsinfo.erftstadt.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZQQbVVDFMW6tLL-HGDan0n9DZgO5PR7WhfdPetB8BHCv/Beschlussvorlage_242-2025.pdf

de_DEDeutsch
Thommy Mewes
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