Thommy'den Tacheles #02

Erftstadt im Klimastillstand

Ich möchte heute über etwas sprechen, das mir schon lange auf der Seele liegt. Es ist ein Thema, das mich bewegt und in der jüngsten Zeit kontinuierlich an Dringlichkeit gewinnt: das Klima, oder um ganz präzise zu sein, der Klimanotstand. In meinen Recherchen im Ratsinformationssystem der Stadt bin ich auf etwas gestoßen, das exemplarisch für unsere städtische Politik steht und geradezu lehrbuchhaft verdeutlicht, wie politische Prozesse hier ablaufen bzw. wie es vermieden wird, Position zu beziehen. Laut dem EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus war der 21. Juli der weltweit heißeste Tag seit Beginn der Aufzeichnungen (1). Die durchschnittliche Temperatur erreichte 17,09 Grad Celsius, ein neuer Rekord. Diese extremen Temperaturen sind ein unmissverständliches Zeichen der Klimakatastrophe, die uns alle betrifft. Doch wie reagiert unsere Stadt darauf? Was bedeutet der Klimanotstand und warum ist er für uns von Bedeutung?

Die Definition

Beginnen wir mit einer Definition des Begriffes: Der Klimanotstand (2) ist eine offizielle Erklärung, die den Klimawandel als akute Bedrohung anerkennt und dringende Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen fordert. Dieser Begriff, obwohl rechtlich nicht bindend, hat vor allem eines: Eine symbolische Bedeutung. Er signalisiert klar, dass eine Kommune den Klimawandel anerkennt, ernst nimmt und sich zu sofortigem Handeln verpflichtet. In Erftstadt könnte die Ausrufung das Bewusstsein der Öffentlichkeit schärfen, politische und finanzielle Ressourcen mobilisieren und umweltpolitische Maßnahmen beschleunigen. Aber hauptsächlich bleibt es ein Symbol.

Der politische Prozess

Ich nehme das Ergebnis des politischen Prozesses kurz vorweg: In Erftstadt wurde der gemeinsame Antrag der Fraktionen der SPD, der GRÜNEN und der LINKEN vom 8. Oktober 2021 zur Ausrufung des Klimanotstands (3) im Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Landwirtschaft zuerst vertagt und schlussendlich am 19. Januar 2022 abgelehnt (4). Diese Entscheidung ist nicht nur unverständlich und bedauerlich, sondern gibt uns auch Einblicke auf die politischen Mechanismen und die grundsätzliche Einstellung aller Fraktionen zu diesem Thema.

Ich möchte das Augenmerk auf ein paar Dinge richten: Zum einen das Datum des Antrags, zweieinhalb Monate nach der Flutkatastrophe hier in Erftstadt im Juli 2021. Zum anderen auf die Argumentation der Fraktionen, die den Antrag abgelehnt haben. Der entsprechende Antrag und die Beschlusslage finden sich unter TOP 8 in der Niederschrift der o.a. Sitzung (5). Bemerkenswert ist dort der Satz „Besonders rege wird der Begriff ‘Klimanotstand’ und dessen Symbolwirkung diskutiert”, wo ich mich persönlich frage, was es hier zu diskutieren gibt? Wie schon eingangs definiert, ist der Klimanotstand ein Symbolakt. Für diejenigen, die keine Zeit oder Lust haben, die Niederschrift zu lesen: Dagegen gestimmt haben die FDP, die CDU und die Freie Wählergemeinschaft Erftstadt.

Und nun wird es absurd, denn der Stadtrat versucht nun, zumindest noch irgendetwas positiv zu beschließen. So gibt es zwei weitere Abstimmungen über folgende Inhalte:

  1. “Die Stadt Erftstadt erkennt an, dass sich die Welt in einem Klimanotstand befindet.” Dies wird erneut aufgrund der Stimmen der CDU abgelehnt.
  2. “Die Stadt Erftstadt erkennt das Pariser Klimaabkommen (6) und das Ziel, die Erderhitzung auf 1,5°C zu begrenzen, an. Um dieses Ziel zu erreichen, werden alle relevanten Entscheidungen, die den Klimaschutz betreffen, einer Prüfung auf Klimarelevanz unterzogen.” Hier scheint man nun endlich Einigkeit erzielen zu können, denn dieser Beschlussentwurf wird angenommen.

Man muss sich zumindest den zweiten Punkt einmal auf der Zunge zergehen lassen: Der Rat der Stadt Erftstadt erkennt das Pariser Klimaabkommen an – ein Abkommen, das bereits 2015 von 197 Staaten unterzeichnet wurde, knapp sechs Jahre zuvor. Die UN-Klimakonferenz wäre stolz auf uns. Ein paar weitere, sehr schöne Zitate gibt es auch noch in der Presse (7).

Fazit

Die Ablehnung des Klimanotstands in Erftstadt ist symptomatisch für die weitverbreitete politische Trägheit gegenüber der Klimakatastrophe. Hier profilieren sich im negativen Sinne vor allem die sogenannten konservativen Parteien. Diese Ablehnung ist nicht nur ein Rückschlag für den lokalen Klima- und Umweltschutz, sondern sendet auch ein falsches Signal an die Bürgerinnen und Bürger. Es zeigt, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben, um die notwendige Dringlichkeit in der Klimapolitik zu etablieren.

Ehrlich jetzt, die Klimakatastrophe betrifft uns alle, und es ist an der Zeit, dass wir handeln, bevor es zu spät ist.

Kaynaklar

(1) https://www.tagesschau.de/wissen/klima/klimaerwaermung-copernicus-102.html

(2) https://www.tagesschau.de/faktenfinder/klimanotstand-105.html

(3) https://ratsinfo.erftstadt.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZRgw2gBV6xDb1-BKXH3q8JyW2ormtzmjQhq4ALX4VUdb/Antrag_650-2021.pdf

(4) https://ratsinfo.erftstadt.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZW1Zl4lQqSKDBGlUHWbwgjyJ4gWwWiYqBXcc9Q7Zmv4T/Beschlusstext_650-2021_-oeffentlich-_Ausschuss_fuer_Stadtentwicklung-_Umwelt_und_Landwirtschaft_19.01.2022.pdf

(5) https://ratsinfo.erftstadt.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZW6vA7VM-dKz1udClQsWPfAumVNs25G9v4VtnGzl8Sol/Oeffentliche_Niederschrift_Ausschuss_fuer_Stadtentwicklung-_Umwelt_und_Landwirtschaft_19.01.2022.pdf

(6) https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Industrie/klimaschutz-abkommen-von-paris.html

(7) https://www.rundschau-online.de/region/rhein-erft/erftstadt/erftstadt-politik-spricht-sich-nach-diskussionen-gegen-klimanotstand-aus-241406